In Zeiten von korrigierenden Start-up-Bewertungen, Massenentlassungen in Tech-Unternehmen und ersten Insolvenzen rücken das Erzielen von Erträgen und die damit verbundene Profitabilität wieder deutlich stärker in den Fokus. Viele Beteiligungsunternehmen arbeiten bereits aktiv mit ihren Portfoliounternehmen daran, die Burn-Rate oder auch monatliche Kostenbasis zu reduzieren, um das Ausfallrisiko zu minimieren. Häufig wird dabei auch von Einsparungen durch Synergien zwischen Unternehmen gesprochen. Kann ein Ökosystemansatz mit Synergien zwischen den Portfoliounternehmen im Venture Capital (VC) / Private Equity (PE) helfen?
Woher der Begriff „Ökosystem“ stammt und was damit gemeint ist
Der Begriff „Ökosystem“ stammt ursprünglich aus der Biologie und steht für ein Gefüge von sich gegenseitig beeinflussenden Organismen (Biozöse), die gemeinschaftlich in demselben Habitat (Biotop) leben. Die griechische Herkunft des Wortes „Öko“ gleich „Haushalt“ und „System“ gleich „etwas miteinander Verbundendes“ lässt eine der zentralen Elemente ableiten. Gemeint sind damit die für das Überleben notwendigen Wechselwirkungen sowohl zwischen den einzelnen Organismen untereinander als auch mit dem Lebensraum, in dem sie sich befinden. Ein in diesem Kontext ebenso häufig genutzter Begriff ist „Synergie“, welcher seinen Ursprung ebenfalls im Griechischen hat und die Bedeutung von „Zusammenarbeit“ hat. Eine gegenseitige positive Wechselwirkung zwischen Organismen wird daher häufig als Synergie bezeichnet. In der Natur kann als Beispiel das gegenseitige Bereitstellen von Nährstoffen zwischen Pilzen und Ameisen aufgezählt werden. Nicht nur in der Biologie werden die Begriffe „Ökosystem“ und „Synergie“ verwendet, mittlerweile lassen sich Übertragungen der Analogie auf immer mehr Kontexte finden.
Ökosysteme im Unternehmenskontext
Auch im unternehmerischen Kontext konnte sich Begriff „Ökosystem“ durchsetzen und beschreibt dabei die Zusammenarbeit von sich ergänzenden Organisationen/Einzelakteuren mit einem gemeinsamen Ziel (wie z. B. ein breites Produktangebot für Kunden) 1. Dieses Konzept kann auch innerhalb von einer Organisation stattfinden, indem wesentliche Teile entlang der gesamten Wertschöpfungskette abgedeckt werden. Ein prominentes Beispiel ist die durch John D. Rockefeller gegründete Unternehmensgruppe Standard Oil, welche sich durch vertikale Integration alle Wertschöpfungsschritte von der Rohstofferzeugung über die Verarbeitung bis hin zur Distribution sicherte.
Sogenannte Business-Ökosysteme gewinnen zudem immer mehr an Bedeutung und sind dabei als Antwort auf die in den letzten Jahren vorherrschende Plattformökonomie und der damit verbundenen Oligopole zu verstehen. Unter Business-Ökosystemen werden partnerschaftliche Verhältnisse verschiedener Unternehmen verstanden, welche untereinander im direkten Austausch für das gemeinsame Ziel stehen. Für die Start-ups steht dabei nicht ausschließlich das eigene Unternehmen im Fokus, sondern die Kunden und deren Bedürfnisse. Dieses Konzept hat sich bei größeren Konzernen etabliert, welche über Akzeleratoren-Programme sowie Corporate Venture Capital (CVC) Initiativen und den damit verbundenen Engagements in Start-up Synergieeffekte abschöpfen möchten. Dieses Vorgehen ist mit dem Ziel verbunden, komplementäre Ressourcen zum Kerngeschäft ausfindig zu machen und gewinnbringend einsetzen zu können.2 3
Profitieren von einem Ökosystemansatz im Venture Capital
Jeder Venture Capital und Private Equity Fonds definiert eine eigene Anlagestrategie, nach welcher Investment getätigt, Unternehmen entwickelt und im letzten Schritt Unternehmensbeteiligungen wieder veräußert werden. Es gibt zahlreiche verschiedene Ansätze und Theorien zu erfolgreichen Strategien, die zum größtmöglichem bei gleichzeitiger Risikominimierung führen sollen. Ein Aspekt dieser Strategie kann ein vorab definierter Sektor oder die geografische Abdeckung sein. So investieren einige Fonds sektorspezifisch sowie landspezifisch und grenzen sich somit auf ein „Habitat“ – ein Kernprinzip von Ökosystemen in der Natur – ein (hier am Beispiel FinTech, siehe Abbildung 1).
Eine Variation der Anlagestrategie kann sein, die einzelnen Wertschöpfungsketten in diesem Habitat zu analysieren und geschickt zu verbinden. Das Ziel dieses Ansatzes ist die Schaffung eines FinTech-Ökosystems, welches die klassische Finanzindustrie in all seinen Bereichen um innovative Lösungen bereichert. So wird bei jedem Investment genau geprüft, ob es synergetische Effekte auf die bestehenden Portfoliounternehmen gibt und somit allein durch die Integration Wert generiert werden kann. Abbildung 2 verdeutlich dieses Konzept am konkreten Beispiel von Haftpflichtversicherungen für Endkunden, bei dem sich drei Portfoliounternehmen gegenseitig synergetisch ergänzen. Unternehmen 1 stellt das Produkt (die Haftpflichtversicherung) bereit, Unternehmen 2 verkauft dieses an den Endkunden und Unternehmen 3 stellt den beiden Unternehmen die Infrastruktur bereit.
Dieser Ökosystemansatz als Anlagestrategie von VCs oder PEs bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Durch den Fokus auf einen Sektor kann tiefgreifendes Branchenwissen des Managements und dessen Netzwerk enorme Potenziale und Chancen für die Portfoliounternehmen mit sich bringen. Den meisten jungen Unternehmen mangelt es zu Beginn ihrer Geschäftstätigkeit an Kapital, Zugang zu technischem Know-how und geeigneten Distributionskanälen. Wunde Punkte in Early-Stage-phasigen Unternehmen wie die der Customer Acquisition Costs (CAC) können durch einen Cross-Selling-Ansatz minimiert werden. Hier setzt der Investmentansatz an: Die Portfoliounternehmen können durch einen Know-how-Transfer ihre Produkte, Strukturen sowie Prozesse optimieren und dabei kosteneffizient arbeiten. Die Beteiligungen werden zudem als Satelliten verstanden, welche durch ihre operativen Tätigkeiten und die daraus resultierenden Netzwerke und Partnerschaften für den Fonds als Akquise Plattform dienen. Hinzu kommt, dass die Portfoliounternehmen in ihrer Preisgestaltung flexibler sind, da sie neben herkömmlichen Erträgen auch Umsatz- und Kostensynergien von ihren Geschäftspartnern erwarten können, welche ebenfalls zum Portfolio-Ökosystem gehören. Somit wird dieser Buy-and-Build-Ansatz, welcher sich im Private Equity Bereich bereits bewährt hat, auch auf frühphasigere Investments übertragen.5 Durch dieses Vorgehen können ertragsreiche Nischen ausfindig gemacht werden, welche entweder durch weitere Zukäufe von Unternehmensanteilen oder dem Verfolgen von Business Building Aktivitäten erschlossen werden können.
Zur Erzielung der aufgezeigten Potenzialen ist die Aufgabe des Fondsmanagements, über den gesamten Prozess auch die möglichen Risiken zu beleuchten. Ein eventuell auftretendes Klumpenrisiko kann durch einen stringenten Fokus auf die vorherrschende Kundenpipeline außerhalb des eigenen Portfolio-Ökosystems minimiert werden. Der Fonds agiert daher als Partner im Aufbau der Strukturen und Kundenbasis, setzt eine eigenständig stemmbare Skalierung bei seinen Investments jedoch zwingend voraus. Ein weiteres Hemmnis könnten Einschränkungen der Investmentmöglichkeiten darstellen, welche sich aus dem Synergie-Anspruch der Einzelinvestments ergeben. Die höchste Prämisse beim Investieren in innovative Start-ups nach dem Ökosystem-Ansatz bleibt jedoch das Erzielen einer möglichst hohen Fondsrendite. Der durch die Spezialisierung auf FinTechs ohnehin gegebene Investmentfokus wird um den Anspruch der Synergieeffekte somit ergänzt und als wichtiges Kriterium in einer qualitativen Due Diligence gesehen. Um potenzielle Kannibalisierungseffekte zwischen den Portfoliounternehmen entgegenwirken zu können, ist die vorausschauende Auswahl der Investments essenziell.
Fazit
Schumpeter Ventures greift die zuvor aufgezeigten Prinzipien auf und verfolgt mit der ersten Fondsgeneration das Ziel, ein FinTech-Ökosystem zu schaffen, welches die klassische Finanzindustrie in wesentlichen Bereichen um innovative Lösungen bereichert. Hierbei kann das unabhängige Fondsmanagement den Vorteil nutzen, nicht an restriktive Konzernstrukturen gebunden zu sein und somit im Sinne des synergetischen Ansatzes zu agieren. Der Ökosystemansatz des Schumpeter Venture I Fonds bietet insbesondere in der jetzigen Zeit die Möglichkeit, deutlich bessere Hebel hinsichtlich Profitabilität der Portfoliounternehmen zu haben und die bisherige Performance bestätigt das Konzept.
- [1] https://www.fraunhofer.de/content/dam/zv/de/Forschungsfelder/industrial-data-space/Industrial-Data-Space_whitepaper.pdf
- [2] https://www.rolandberger.com/de/Insights/Publications/Business-%C3%96kosysteme-eine-Chance-f%C3%BCr-gro%C3%9Fe-wie-kleine-Unternehmen.html
- [3] https://www2.deloitte.com/de/de/pages/innovation/contents/ecosystems.html
- [4] https://www.cbinsights.com/research/report/top-fintech-startups-2022/
- [5] https://www.ey.com/de_de/private-equity/erfolgreiches-buy-and-build-durch-synergie-realisierung